1962 | 75 Jahre NRZ | Zeitungsseiten

NEUE RUHR ZEITUNG 1 H 5189 A 21011 NEUE RHEIN RUHR ZEITUNG Freitag, 7. September 1962 17. lahrgang / Nr. 20? / Preis 20 Pf USA: Kreml lenkt ab NRZ-Nachrlchtendienst Washington/Berlin. Der Kreml lenkt ab. Das ist die offizielle Stellungnahme eines Sprechers des US-Außenministeriums auf die letzte Sowjetnote, mit der die Westmächte für Zwischenfälle in Berlin verant- wortlich gemacht werden sollten. Mit der sowjetischen Note an die drei Westmächte waren Vierer-Ge- spräche über die Lage in Berlin von Moskau abgelehnt worden. In Lon- don und Washington hält man solche Besprechungen zur inneren Entspan- nung in Berlin jedoch nach wie vor für notwendig. Das Außenministerium der soge- nannten DDR hat gestern den drei Westmächten das Recht bestritten, „ungenehmigte Hubschrauberflüge über dem Gebiet der DDR“ zu un- ternehmen. Pankow behauptet, die „freie Flugzone“ (Raum Berlin) gelte nur für den Femluftverkehr, nicht aber für Test- und Trainingsflüge der US-Hubschrauber. Ostberlin zum Abschluß eines Pas- sierscheinabkommens. Albertz hatte davon gesprochen, daß gegebenen- falls Ostberliner, die mit einem Passierschein nach Westen kämen, sich auch zur Rückkehr verpflichten müßten. Dies war so ausgelegt wor- den, als wolle Albertz solchen Ost- berliner Besuchern, die nicht zurück- kehren würden, das Asylrecht ver- weigern. nommenen Entschließung die Terror- maßnahmen in der sowjetisch be- setzten Zone und forderte erneut die Freilassung des zu Zuchthaus verurteilten IG-Metall-Redakteurs Heinz Brandt. Die Bundesregierung muß sparen Etat von 1963 steigt um fünf Milliarden - Kürzungen gelten auch für Strauß Von uns erem Mitarbeiter T. U. Bonn. Fünf Tage vor der entscheidenden Sitzung des Bundes- kabinetts am kommenden Dienstag über den Bundeshaushalt 1963 zeichnet sich schon klar ab, daß auch Bundesverteidigungsminister Strauß für seinen Haushalt weniger Geld erhält, als ursprünglich vorgesehen war. Wie in Bonn zuverlässig bekannt wurde, werden die Ausgaben im Verteidigungshaushalt im kommenden Jahr um etwa zwei Milliarden DM auf rund 17 Milliarden DM erhöht werden. Bei den ersten Vorarbeiten war dagegen noch beabsichtigt gewesen, den Verteidigungsetat um 3,5 bis 4 Milliarden DM heraufzusetzen. Das Bundeskabinett soll am Dienstag Grundsatzentscheidungen über die wichtigsten Ausgabenblöcke im neuen Etat fällen. Diese politi- sche Entscheidung ist insofern auf- sehenerregend, weil zum erstenmal der Verteidigungshaushalt nicht mehr ein „Tabu“ darstellen soll. Bundesfinanzminister Starke er- klärte vor der FDP-Fraktion un- mißverständlich, Steuererhöhungen kämen 1963 nicht in Frage. Ein Aus- gleich zwischen den Einnahmen und Ausgaben des neuen Etats wird nur durch Zusammenstreichen von Aus- gabewünschen der Bundesministe- rien und durch eine neuerliche Un- terstützung der Länder möglich. Nach dem gegenwärtigen Stand der Beratungen sieht der Bundes- haushalt etwa wie folgt aus: A Die Ausgaben werden von jetzt 53,4 Milliarden auf 58,5 bis 59 Milliarden ansteigen; A der Zuwachs um 5 bis 5,5 Mil- ** liarden DM soll verwendet wer- den für die Verteidigung (2 Milliar- den DM), für eine familiengerechte Änderung der Beamtenbesoldung und Erhöhung der Kriegsopferren- ten (mehr als 1 Milliarde DM), er- höhte Ausgaben im Zusammenhang mit den kommenden Notstandsgeset- zen und neue Subventionen für poli- tisch nicht gewünschte Preissteige- rungen, die als Folge der EWG- Marktgesetze für die Landwirtschaft eintreten. Neben Streichungen für den Bun- deshaushalt ist auch beabsichtigt, das sogenannte Sozialpaket nicht im Etat zu berücksichtigen. Das bedeu- tet, daß die Staatskasse im Jahre 1963 noch nicht das Kindergeld aus eigener Tasche bezahlen wird, son- dern die jetzige Regelung beibehal- ten werden soll. Heftige Dfskussionen erwartet man im Kabinett bei der noch nicht offen ausgesprochenen Absicht, auch die Bundesznschüsse für den sozia- len Wohnungsban zu kürzen und Bundesverkehrsminister Seebohm weniger Geld für den Straßenbau zu geben. Klarheit herrscht aber darüber, daß die Subventionen für die Landwirtschaft im „Grünen Plan“ nicht erhöht werden. Siehe auch K GUTEN MORGEN! Gesundheit Statistiken haben die schöne Eigenschaft, mehr oder minder bekannte Dinge dem Wissens- durst derer, die es ganz genau wissen wollen, anheimzustel- len. Einen bunten Zahlen- strauß bietet das Statistische Jahresbuch der UNO für 1961 dar. Unter den fast drei Milliar- den Menschen, die unser Glo- bus beherbergt, schießen die Schwedinnen den Vogel ab. Sie übertreffen ihre männ- lichen Mitbürger an „körper- licher und seelischer Wider- standskraft". Resultat dieser glücklichen Veranlagung: Mit einer Lebenserwartung von 75 Jahren stehen die Schweden- mädel auf einsamer Höhe. Und eine alte VolksweisHeii legt uns die UNO-Statistik vor: Verheiratete beiderlei Ge- schlechts leben länger als Le- dige, Verwitwete und Ge- schiedene. Die Ehe ist also einwandfrei gesundheitsför- dernd. Daraus zu schließen, daß die Mohammedaner mit ihren vier Frauen am gesündesten sind, erdreistet'sich nrz-kurzmeldungen Der Komponist der sowjetzonalen Nationalhymne, Professor Hanns Eisler, ist im Alter von 64 Jahren in Ostberlin gestorben. Sowjetsoldaten sollen einen Wa- gen der US-Militärmission auf einer Fahrt durch die „DDR“ beschossen haben, wurde in Washington mit- geteilt. Präsident Kennedys Sicherheits- referent Bundy wird Ende Septem- ber Bonn und Berlin besuchen. Nach Rumänien wird in den näch- sten Wochen der SED-Chef Walter Ulbricht reisen. Nach Niedersachsen flüchtete ein 22jähriger mitteldeutscher Arbeiter auf einem Raupenschlepper über die Zonengrenze. Zu einem dreitägigen Besuch in Berlin traf gestern der Oberbefehls- haber der amerikanischen Truppen in Europa, General Paul L. Freeman, ein. Die Kriminalpolizei hat mehrere Stapel Flugblätter der Deutschen Freiheitspartei (DFP) mit einem de Gaulle beleidigenden Text beschlag- nahmt. Das Bundeskabinett wird heute die Erhöhung verschiedener Tarife der Bundesbahn erörtern. Siehe auch Sonderseite ..Gewerkschaftstag IG Metall" Letzte Sportmeldung Boxsieg in Neumünster Neumünster (dpa). Mit 13:7 kam die deutsche Boxstaffel gestern abend zu dem erwarteten Sieg gegen Tune- sien. „Fliege" Geisler (Rünthe) unter- lag gegen Tarhouni nach Punkten Die eindrucksvollsten Siege erkämpf- ten Halbweltergewichts-Meister G. Dieter (Berlin) mit einem K.-o.-Sieg in der 1. Runde über Bechir und Schwergewichtler Huber (Regens- burg) durch einen Abbruchsieg in der 2. Runde gegen Lähbib Brandt: Einigkeit mit Bonn über Vier-Mächte-Status Debatte über Passierscheine im Abgeordnetenhaus NRZ-Nachrlchtendienst Berlin. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, lehnte gestern erneut einen Vier-Mächte-Status allein für Westberlin ab. Brandt sprach in der ersten Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses nach den Parlamentsferien. Brandt betonte auch die grund- sätzliche Übereinstimmung in dieser Frage zwischen Bundesregierung und Berliner Senat. Die in Ge- sprächen mit Bundesminister Krone und dem Berlin-Bevollmächtigten von Eckardt festgestellte Gemein- samkeit erweise sich in den folgen- den vier Punkten: A Es könne keinen Zweifel an der ™ Fortdauer des Vier-Mächte-Sta- tus für ganz Berlin geben. £% Verträge könnten nicht durch ” einseitige Aktionen ihre Wirkung einbüßen. A Grundlage aller kommenden ” Verhandlungen müsse die Be- seitigung der Mauer und die Ver- hinderung von Grausamkeiten an der Mauer sein. A Keine Rechte für die Sowjets in ^ Westberlin, die von den West- mächten nicht auch in Ostberlin aus- geübt würden. Zu einer Debatte kam es über ein Interview des Innensenators Albertz über mögliche Verhandlungen mit Lohnerhöhung im graphischen Gewerbe NRZ-Nachrlchtendienst Hamburg/MUnchen. Eine Erhöhung des tariflichen Wochen- ecklohnes von 7,6 Prozent auf 146,34 D-Mark für die rund 190 000 Arbeit- nehmer des graphischen Gewerbes wurde nach Mitteilung der IG Druck und Papier beschlossen. Damit haben die Tarifverhandlungen ge- stern nach zweitägiger Dauer zu einem Erfolg geführt. Die neue Tarifvereinbarung stellt einen Kompromiß dar. Die Gewerk- schaft hatte zwölf Prozent gefordert, die Arbeitgeber aber wollten nur fünf Prozent zugestehen. Die neue Tarifabmachung gilt vorerst bis zum 31. August 1963. Von elf auf siebzehn Fabriken dehnte sich der Streik in der papier- erzeugenden Industrie aus. In Rhein- land-Pfalz beteiligen sich 750 Arbei- ter in drei Fabriken an dem Streik. Mehr Gastarbeiter NRZ-Nachrichtendlenst Nürnberg. Unter je 1000 Ar- beitnehmern werden heute 30 Aus- länder gegenüber nur 24 vor Jahres- frist gezählt. Allein im August hol- ten die Dienststellen der Bundes- anstalt für Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung 12 063 aus- ländische Arbeitnehmer in die Bun- desrepublik. Die Arbeitslosigkeit in der Bun- desrepublik hat einen neuen Tief- stand erreicht. Sie verminderte sich im August um 2595 auf 91 344 Ar- beitslose. Vor Jahresfrist gab es in Westdeutschland 20 000 Arbeitslose mehr. Die stärkste Abnahme der Arbeitslosenzahl meldete Bayern mit 1035 auf 18 392. In Nordrhein-West- falen betrug der Rückgang 142 auf 27 321 Siehe auch Bericht und Reportagen Thema am Montag mit seinem bel- gischen Kollegen Spaak besprechen. Aus Washington wird berichtet, daß amtliche Kreise der US-Regie- rung hoffen, Adenauer und de Gaulle möchten keine Absprachen treffen, die den Beitritt Großbritanniens zur EWG erschweren könnten. US-Re- gierungsbeamte verweisen dabei auf frühere Zusagen Adenauers. Neurenten steigen 1963 um 8 Prozent 6,6 Prozent höhere Altrenten NRZ-Nachrlchtendienst Bonn. Um rund acht Prozent werden die 1963 neu entstehenden Renten in den sozialen Rentenversicherungen steigen. Die Höchstrente kann von bisher 712,50 auf 750,— Mark steigen, der monatliche Höchstbeitrag zur Rentenversicherung wird von 133 auf 140 Mark monatlich erhöht. Dieser bis- her höchste Anstieg der Nenrenten — in den vergangenen Jahren stiegen sie nur um jeweils 5,5 bis höchstens 6,6 Prozent — ist darauf zurückzuführen, daß sich der durchschnittliche Verdienst aller Pflichtversicherten in den letzten Jahren entsprechend stark erhöht hat. Aus den Durchschnittsverdiensten von 1959 mit 5602 Mark, 1960 mit 6101 Mark u®d 1961 mit 6717 Mark wurde die allgemeine Bemessungs- grundlage als arithmetisches Mittel mit 6140 Mark errechnet. Die Bei- tragsbemessungsgrenze, die das Dop- pelte der allgemeinen Bemessungs- grundlage beträgt und auf einen durch 600 teilbaren Betrag abgerun- det wird, steigt damit auf 12 000 Mark. Bundesarbeitsminister Blank hat diese schon vor einiger Zeit von dem in Köln erscheinenden Dienst für Gesellschaftspolitik errechneten Zah- len in einem Schreiben an den Bun- desverband der Ortskrankenkassen bestätigt. Der Bundesrat muß den Veränderungen noch zustimmen. • Die bis zum 31. Dezember 1962 festgestellten Renten werden von 1963 an um 6,6 Prozent steigen, wenn die Bundesregierung dem Mchrheitsvorschlag des Sozialbei- rats folgt und die gesetzgebenden Körperschaften zustimmen. Die Alt- renten würden damit wie bisher der Entwicklung mit einjähriger Verzö- gerung folgen. Hoffnung für Bundesbeamte Von unserer Korrespondentin H. P. Bonn. In der FDP-Bun- destagsfraktion hat sich nach einer Sondersitzung die Meinung ver- stärkt, daß den Bundesbeamten noch in diesem Jahr eine Verbesse- rung ihrer Bezüge gewährt werden müsse. Geplant ist die einmalige Zahlung einer Summe, die der Er- höhung der Landesbeamtengehälter um 6 Prozent für die Zeit Vom 1. Juli bis 31. Dezember in etwa ent- sprechen soll. Nach Schätzungen würde es sich ungefähr um Vc Monatsgehalt han- deln. Dabei sollen auch die Kinder- zuschläge berücksichtigt werden. Wie verlautet, hat Bundesfinanzminister Starke (FDP), der bisher keine Be- soldurigsverbesserungen vor dem 1. Januar 1963 erwägen wollte, keine Einwände erhoben. Die letzten Ein- zelheiten der geplanten Regelung will der „Arbeitskreis Innenpoli- tik“ der FDP am 20. September be- sprechen. Politische Konferenz auf dem Rheinschiff De Gaulle zu Adenauer: Wir stehen zu Berlin NRZ-Nachrlchtendienst Bonn/Düsseldorf/Duisburg. Bundeskanzler Adenauer und der französische Staatspräsident de Gaulle hatten gestern auf dem Rheinschiff „Deutschland“ eine politische Unterredung. Dabei unterstrich de Gaulle, daß Frankreich zu seinen Verpflichtungen in Berlin stehe. Der Staatspräsident, der heute sei- nen Besuch in Hamburg fortsetzt, besprach auf der Rheinfahrt von Köln bis Düsseldorf mit Bundes- kanzler Adenauer die Ost-West- Krise im Zusammenhang mit der Lage in Berlin. Dabei sollen auch Fragen der NATO-Politik ange- schnitten worden sein, doch wurden hierüber keine Einzelheiten bekannt. Adenauer begleitete de Gaulle nur bis Düsseldorf und kehrte von dort nach Bonn zurück. Die beiden Außenminister Schrö- der und Couve de Murville erörter- ten vor allem den Stand der Ver- handlungen über einen britischen Beitritt zur Europäischen Wirt- schaftsgemeinschaft (EWG). Die Spekulationen um eine fran- zösisch-deutsche Zweier-Union ha- ben außer in Großbritannien auch in den Beneluxstaaten Befürchtun- gen ausgelöst. Der holländische Außenminister Luns will dieses Streik nicht in jedem Fall Brenner fordert Ausdehnung der Mitbestimmung NRZ*Nachrlchtendlenst Essen. Der IG-Metall-Vorsitzende Brenner lehnte gestern in seinem Hauptreferat auf dem Gewerkschaftstag eine Notstands- und Notdienst- gesetzgebung der Bundesregierung ab. In einer Pressekonferenz ergänzte Brenner jedoch später, die IG Metall wolle nicht gegen jede Notstandsgesetz- gebung streiken. Im Mittelpunkt des Brenner-Refe- rates stand die Forderung nach Aus- dehnung der Mitbestimmung auf alle Groß- und Mammutunterneh- men ohne Unterschied der Rechts- form und des Wirtschaftszweiges. In seinem Schlußwort zu den an- schließenden Diskussionen bedauerte Brenner, daß nicht einer der ein- geladenen Minister den Gewerk- schaftstag besucht habe. Meinungs- verschiedenheiten seien doch gewiß kein Unglück und gehörten zum We- sen der Demokratie. Brenner wandte sich auch gegen alle von außen kommenden Versuche, zwischen IG Metall und DGB einen Keil treiben zu wollen. Unter dem Beifall der Delegierten sagte er: „Niemandem wird das gelingen.“ Der Gewerkschaftstag verurteilte gestern in einer einstimmig ange- Oer Jubel und die Begeiste- rung, die dem französischen Präsidenten de Gaulle seit Beginn des Staatsbesuches in der Bundesrepublik entgegen- schlagen, haben ihn auch ge- stern an Rhein und Ruhr be- gleitet. Trotz des starken Re- gens begrüßten Zehntausende von Menschen den General in Düsseldorf und Duisburg. Auch während seiner Fahrt mit dem Rheinschiff „Deutschland" winkten ihm überall von den Ufern die Menschen zu. Groß- artig war der Empfang durch die Stahlarbeiter der August Thyssen-Hütte in Duisburg (Bild links). Auf der Höhe von Kre- feld-Uerdingen defilierte eine Einheit der Bundesmarine an der „Deutschland" vorbei, die de Gaulle mit erhobener Hand grüßte (Bild rechts), daneben sein Sohn, Fregattenkapitän Philippe de Gaulle. NRZ-Fotos: Wolf Schone/dp* Stürmischer Beifall für Frankreichs Präsidenten an Rhein und Ruhr

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