1961 | 75 Jahre NRZ | Zeitungsseiten

Putsch gescheitert Buenos Aires. Nur wenige Stun- den nach dem endgültigen Scheitern des „Miniaturputsches“ herrschte in der argentinischen Hauptstadt Bue- nos Aires und im übrigen Land wieder Ruhe. Die „Aufständischen“ deren Gesamtzahl auf rund 150 ge- schätzt wird, hatten den argentini- schen Staatsrundfunk besetzt und in einem Aufruf die Armee aufgefor- dert. „dem Land die Freiheit wie- derzugeben.“ Jeder verbrauchte 57 Kilo Bonn (dpa), ln der Bundesrepublik sind 3,19 Millionen Tonnen Fleisch oder 57 Kilo je Kopf der Bevölke- rung in dem am 30. Juni abgelau- fenen Wirtschaftsjahr 1960/61 ver- braucht worden. Auf Rindfleisch ent- fielen davon 17,3 kg (ein Kilo mehr als Im Vorjahr), auf Schweinefleisch 29,6 kg (0,7) und auf Geflügelfleisch 4,4 kg (0,5). Weniger Berghauunfälle Bochum (dpa). Die Zahl der Un- fälle im Steinkohlenbergbau ist 1960 Im Vergleich zum Vorjahr leicht ge- sunken. Die tödlichen Unfälle im Bundesgebiet (ohne Saarbergbau) gingen von 437 auf 350 zurück. Dies teilte die IG Bergbau und Energie mit. Siehe Seite 2 und Bunte Welt kunft ihrer Kinder gehe, müsse ein Mindestmaß, an Gemeinsamkeit er- reicht werden. Wer diese Gemein- samkeit verweigere, der versündige sich an dem deutschen Volk. Brandt greift die CDU an Deutschlandtreffen der SPD - Harter Wahlkampf angekündigt Von unserem Redaktionsmitglied H.-J. L. Nürnberg. Mit ihrem Deutschlandtreffen hat die SPD die letzte Runde des Wahlkampfes eingeleitet. Kanzlerkandidat Willy Brandt und die Mitglieder seiner Regierungsmannschaft führten scharfe Angriffe gegen die CDU und Bundeskanzler Adenauer. Vor rund 100 000 Menschen warf Brandt der Regierung Adenauer vor. sie habe dem deutschen Volke jah- relang ein falsches Bild von der Weltlage vermittelt. „Heute stehen wir vor der ernstesten Krise unse- rer Nachkriegsgeschichte, und der Bundeskanzler verniedlicht diese Dinge.“ Die nächsten Monate, so betonte Brandt, würden das deutsche Volk vor Entscheidungen von großer Trag- weite stellen. Wenn es um die Exi- stenz der Nation und um die Zu- Paris beugt vor NRZ-Nachrlchtendlemt Paris. Die französische Regie- rung beugt vor. Sie hat Sonderkom- mandos der Polizei an mehrere Punkte der französischen Hauptstadt entsandt. Ihr Einsatz wird mit Ge- rüchten über einen Putschversuch rechtsextremistischer Kreise in Zu- sammenhang gebracht. Überall in Paris werden strenge Fahrzeug- und Personenkontrollen durchgeführt. Zurzeit sind rund 3000 Bereitschaftspolizisten in der Stadt stationiert Echo des Auslands Di» Regierungen der USA und Großbritanniens haben gestern die Sperrmaßnahmen Pankows als ekla- tante, Verletzung des Viermächte- abkommens verurteilt. Die West- mächte wollen scharfen Protest in Moskau einlegen. Die amerikanische Regierung hat mit den Botschaften Großbritanniens und Frankreichs bereits Beratungen über die Sperrmaßnahmen aufge- die Bewohner des Sowjetsektors und der Sowjetzone zur verbotenen Stadt erklärt. Dadurch verloren auf einen Schlag rund 80 000 Grenzgänger ihre Arbeit in Westberlin und ungezählte Mitteldeutsche die Hoffnung, jemals dem Ulbricht-Regime entrinnen zu können. In Alarmstellung Gestern nachmittag zogen Men- schenmassen aus Westberlin zum Brandenburger Tor. Der Auflauf nimmt von Stunde zu Stunde an Starke zü. Eine Studentengfuppa trug ein Transparent mit der Auf- schrift: „Nicht Proletarier — Deut- sche vereinigt euch!“ Die Polizei- und Militäreinheiten im Ostsektor wurden im Laufe des Abends noch mal verstärkt Zwischen dem Gebäude der ehemaligen Reichs- postdirektion und dem „Haus der Ministerien“ in der Leipziger Straße ist eine Gruppe von neun Panzern aufgefahren. Straßenpanzer und Pan- zerspähwagen liegen in Alarmstel- lung. Bundeskanzler Adenauer sagte ge- stern abend in Bonn: „Im Verein mit unseren Allüerten werden die erfor- derlichen Gegenmaßnahmen getrof- fen. Die Bundesregierung bittet alle Deutschen, auf diese Maßnahmen zu vertrauen.“ Ausführlich« Berichte auf Seite 2 nächsten Tagen so zd, daß es zu einer Explosion kommt?“ Westberlins Senat unter Führung von Willy Brandt und Franz Amrehn, mehrere BundWCliinister, die Parteien sowie die Regierungen Im westlichen Aus- land beschäftigen sich ununter- brochen mit der neuen Berlin- Situation. Die letzte Flüchtlingswelle vor der endgültigen Schließung der Sektoren- grenzen war zugleich die höchste in NBZ-Chefreportor Hans-Joachim Langnor flog nach Berlin Westberlin erstarrt in Wut Die ersten Tränen in Düsseldorf - Das kleine'Karussell kapitulierte Berlin. Die ersten Berliner Tränen sah ich beim Abflug auf dem Flughafen Düsseldorf. Nie beob- achtete ich herzlicheren Abschied als an der Berlin- Maschine dieses 13. August. ln Berlin gehen um diese Stunde die Lichter an. Zehntausende sind auf dem Heimweg aus dem Grün der Insel. Aber für manche wird es Nacht werden, bis sie zu Hause sind. Auch die Durchgangsstraßen durch den Ostsektor sind mit Volkspolizisten, Stacheldraht und Barrikaden versperrt. Die West- Berliner Polizei leitet nach den erregten Auseinandersetzungen zwischen West-Berlinern und Ul- brichts Grenzkommandos am Potsdamer Platz den gesamten Verkehr im Abstand von 100 bis 500 Metern von den SED-Barrika- den um. Auf den Umwegen gibt es Stau- ungen und viele Kilometer lange Autoschlangen. An allen verrammelten Ost- übergängen stehen die Berliner und starren in schweigender Wut hinüber. Was sie sehen, ist das Schreckensbild einer belagerten Stadt Die Friedrichstraße gehört zu den .elf von über achtzig Über- gängen, die für Berliner noch pas- sierbar sind. Aber nur Autos fah- ren am fünffachen Postenaufgebot vorbei. Nicht ein einziger Fuß- gänger geht hinüber. Auch das kleine Karussell genau am Sektorenübergang hat vor Ulbrichts Gefängnisorder kapitu- liert: es ist erschrocken stehen- geblieben. Das City-Kino dies- seits der verriegelten Nahtstelle an der Friedrichstraße bietet noch Eintrittskarten zum Geldumtausch von 1:1 für Ostbesucher an. Aber es kommt niemand mehr herüber. Der Film dieses Tages heißt „. . . und morgen alles?“ Der Potsdamer Platz Ist vom Westen kaum noch einzusehen. Auch die West-Berliner Polizei muß Tag- und Nachtschicht ma- chen, um Zornige, Neugierige und Ahnungslose von gesperrten Sek- torenübergängen fernzuhalten. Ein W»d)touei*tßra«<Jer Strese- mannstraße: „Man kann garnlcht genug- warnen; die schießen so- fort.“ Ein Beispiel dafür wurde an einem Bahndamm in Reinicken- dorf beobachtet. Ein Flüchtling, der vorher versuchte, einem Volkspolizisten den Karabiner zu entreißen, wurde mit dem Bajo- nett ins Kniegelenk gestochen. Um 16 Uhr durchbrach an der Bernauer Straße/Ecke Ackerstraße ein Ost-Berliner Personenwagen die Stacheldrahtsperre und er- reichte westliches Gebiet. Ein Volkspolizist, der einen angeblich betrunkenen Ost-Berliner in Kreuzberg bis in den Sektor hin- ein verfolgte, wurde von etwa 300 Jugendlichen angegriffen und schwer zusammengeschlagen. Noch steht Berlin unter dem Schock des Tages. Was geschieht, wenn die Empörung explodiert? PANZER T-34-Panzer der sowjetzonalen Volks- armee fuhren in der Nähe der War- schauer Brücke auf. Ängstlich und bedrückt gehen die Ostberliner an den Panzern vorbei. NRZ-Telefoto: ap 13. August 1961: Tor zur Freiheit versperrt — Ostberlin gleicht einem Heerlager Panzer am Brandenburger Tor • Stacheldraht und Betonsperren • Empörung in der ganzen Welt • Senat: Die Zone ein großes KZ NRZ-Nach richtendienst Berlin. Die Lage in Berlin ist zum Zerreißen gespannt: Der Ost- sektor der Stadt gleicht einem Heerlager. Panzer sind aufgefahren. Sie blockieren das Brandenburger Tor, wo sich in den gestrigen Abend- stunden eine bedrohliche Lage entwickelte. 18 Stunden nach der rigoro- sen Abriegelung Westberlins vom Sowjetsektor und der Sowjetzone versammelte sich auf Westberliner Gebiet eine 10 OOOköpfige Mensdien- menge. die versuchte, die in den Tagesstunden errichteten Sperren zu stürmen und die Sektorengrenzen zu überschreiten. Der Yersuch schei- terte, aber die Westberliner Polizei hatte größte Mühe, die Menge zurückzuhalten. Immer wieder ertönten Sprechchöre: »Der Spitzbart (Ulbricht) muß weg!“ Das Deutschlandlied wurde gesungen. Die gesamte Sektorengrenze Ist von schwer bewaffneten Einheiten der Volksarmee hermetisch abge- sperrt. Immer neue Truppen werden nach Ostberlin geworfen, Panzer werden auf dem Schlesischen Bahn- hof entladen. Der Pankower Ge- waltakt — in den frühen Morgen- stunden des Sonntags vollzogen — hat in der ganzen Welt eine Welle der Empörung ausgelöst. . Die alles beherrschende Frage lautet jetzt: „Spitzt sich die Situation in den der Geschichte der deutschen Tei- lung: 4130 Ostberliner und Mittel- deutsche baten von Samstag 12 Uhr bis gestern 17 Uhr im Westberliner Notaufnahmelager Marienfelde tun Asyl. Der Westberliner Senat hat in einem Appell an die Weltöffentlich- keit die Terrormaßnahmen Pankows auf das schärfste verurteilt. „Es herrscht Trauer und Empörung in beiden Teilen Berlins“, sagte der Re- gierende Bürgermeister Brandt vor der internationalen Presse im Schöneberger Rathaus. Mit der Abriegelung hat das Pan- kower Regime zu einem harten Schlag gegen den Flüchtlingsstrom und gegen die Grenzgänger ausge- holt. Gestützt auf eine Empfehlung der Warschauer Paktstaaten wagten die kommunistischen Machthaber diesen Schritt. Westberlin wurde für Gerhard Hetz schwamm Europarekord GERHARD HETZ, der -18jährige Schriftsetzer aus Hof, erzielte bei den deut- schen Meisterschaften in Reutlingen mit 2:04,7 Mirf. einen neben Europa- rekord im 200-m-Freistilschwimmen. Foto: Schirner holte sich ein Volkspolizist einen Ostberliner Passanten, der mit Nachbarn über die Sperrung der Sektoren- grenzen diskutiert hatte. (Bild oben.) NRZ-Telefotos: dpa, ap i\__ _u_ ELmmmmv versuchte vergeblich, die Sek- Ups Olfe tnepoar torengrenze am Potsdamer Platz zu passieren. Es wurde angehalten und von der Volkspolizei abgeführt. (Bild unten.) Von der Straße

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