1953 | 75 Jahre NRZ | Zeitungsseiten

Minister in Kairo trat zurück Kairo, (ap) Der ägyptische Versorgungs- minister Mansur ist nach amtlicher Be- kanntgabe von seinem Posten zurück- getreten. Gründe für den Rücktritt wur- den nicht genannt. Die Aufgaben deriVer- sorgungsminister sollen künftig von Han- delsminister Badui mit übernommen werden. Letzte Meldung Vopo sperrt Autobahn Berlin, (ap) An den Kontrollpunkten Marienborn und Dreilinden haben die Volkspolizisten den gesamten Verkehr auf der Autobahn Berlin—Helmstedt ge- sperrt, gab die West-Berliner Polizei be- kannt. Die Abfertigung wurde um Mitter- nacht eingestellt. Die Sperrung soll im Zusammenhang mit sowjetischen Panzer- bewegungen auf der Autobahn erfolgt sein. Eine offizielle Begründung wurde nicht angegeben. Abänderungsantrag der SPD zur Grenzschutzverstärkung NRZ Bonn. Die Sozialdemokratische Partei hat zum Antrag der Regierungs- koalition, den Mannschaftsbestand des Bundesgrenzschutzes von 10 000 auf 20 000 Mann zu erhöhen, einen Abände- rungsantrag eingebracht. Dieser Antrag der SPD sieht vor, die Bereitschaften des Grenzschutzes nur um weitere 5000 Mann zu verstärken. In einem Verwal- tungsabkommen sollen die Länder ver- pflichtet werden, ihre Bereitschaftspolizei um 5000 Mann zu verstärken und diese 5000 Beamte dem Bundesgrenzschutz als rückwärtige Reserve zur Verfügung zu stellen. Die Kosten für die Aufstellung dieser Verstärkung sollen zu Lasten des Bundes, die Unterhaltskosten zur Hälfte zu Lasten der Länder gehen. Abgeordnetenhaus ehrte Tote Berlin, (dpa) Um 22.40 Uhr trat gestern das Berliner Abgeordnetenhaus zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um zu den Ereignissen im Sowjetsektor Stel- lung zu nehmen. Die Bedeutung der Sitzung wurde durch die Anwesenheit von Buqdesminister Kaiser und von Mit- gliedern des Bundestages, darunter der SPD-Vorsitzende Ollenhauer, der CDU- Fraktionsvorsitzende Dr. von Brentano und der FDP-Fraktionsvorsitzende Euler, unterstrichen. Die Abgeordneten gedach-, ten zunächst der Opfer der Demon- strationen und nahmen dann Erklärungen der Fraktionen zu den Ereignissen im Sowjetsektor entgegen Conant bei Eisenhower Washington, (dpa) Der amerikanische Hohe Kommissar für Deutschland, Dr. Conant, wurde von Präsident Eisenhower zu einer Aussprache empfangen. Conant wird am Donnerstag in Bonn zurück- erwartet. Gegen Kinderbeihilfen NRZ Bonn. Die -Regierungsparteien seien nicht mehr in der Lage, sich an der Weiterbehandlung der dem Unter- ausschuß für Sozialpolitik vorliegenden Gesetzentwürfe üiber Kinderbeihilfen und Familien ausgleldiskaesen zu betei- ligen, erklärte ein Sprecher der Regie- rungsparteien gestern in Bonn. In sozial- demokratischen Kreisen weist man dar- auf hin, daß durch diese Haltung eine dreijährige Arbeit für Kinderbeihilfen und die berechtigte Hoffnung auf eine Regelung noch in diesem Jahr zunichte gemacht worden sind. Bundestag gegen CDU-Wahlgesetz Trotz Kanzler-Bemühung blieb FD P bei Onnen-Entwurf Von unserer pw-Korrespondcntin NRZ Bonn. Die Wahlgesetzpläne, für die sich CDU und DP unter sehr aktiver Beteiligung des Bundeskanzlers bis zur letzten Stunde eingesetzte haben, können als gescheitert angesehen werden, nach- dem bei der zweiten Lesung des Wahl- gesetzes im Bundestag gestern die Mehr- heit dem im Wahlrechtsausschuß ange- nommenen sogenannten Onnen-Entwurf zustimmte, der im wesentlichen dem Wahlgesetz von 1949 entspricht. Danach werden 484 Bundestagsabgeordnete je zur Hälfte mit relativer Mehrheit in Wahl- kreisen und im Verhältnis Wahlrecht auf Parteilisten gewählt. Jeder Wähler hat eine Stimme für die direkte und eine Stimme für die Listen- wahl. Die in direkter Wahl erreichten Mandate werden bei der Verteilung der Listenmandate mit verrechnet. Listenver- bindungen sind unstatthaft. Die Prozent- klausel wurde durch einen mit Mehrheit angenommenen Antrag der Föderalisti- schen Union so formuliert, daß Parteien, die nicht mindestens in einem Lande 3 v. H. der gültigen Zweitstimmen erhal- ten, bei der Zuteilung der Sitze nicht be- rücksichtigt weTden. Der Schamberg-Ent- wurf der CDU und DP sah Listenverbin- dungen, den internen Proporz für Wahl- koalitionsparteien und keine Verrechnung der direkten auf die Listenmandate vor. Gegen diesen Entwurf stimmten die SPD, die Mehrheit der FDP, das Zentrum, die KP und einige Fraktionslose. In Bonn wird allgemein angenommen, daß es auch am Freitag bei der dritten Lesung bleiben wird. Aufstand griff auf Sowjetzone über 20 000 demonstrierten in Magdeburg — Generalstreik in Sachsen ftRZ Berlin. Die Ost-Berliner Aktion hat auch auf die gesamte sowjetische Zone übergegriffen. Aus allen größeren Städten wurden Streiks und zum Teil auch Demonstrationen gegen die ört- lichen SEP-Behörden gemeldet. In Mag- deburg demonstrierten 20 000 Arbeiter vor dem Rathaus. Sowjetische Panzer waren vor dem Bahnhof aufgefahren. Der Interzonenzug aus Hamburg wurde von einer mehrtausendköpfigen Menge ju- belnd begrüßt. Wie verlautet, wurde gestern morgen um 10 Uhr in ganz Sachsen der Gene- ralstreik ausgerufen. Sämtliche Ge- schäfte und Fabriken waren geschlossen. Die Eisenbahn verkehrte nicht mehr. Bei den Leuna-Werken traten 30 000 Arbeiter in den Ausstand. In Halle sol- len zwei* SEP-Funktionäre auf offener Straße gelyncht worden sein. Weitere Streiks wurden aus Thüringen und aus Cottbus, Fürstenberg, Rostock und War- nemünde gemeldet. Insgesamt sollen an den Unruhen in der Zone 2,5 Millionen Menschen beteiligt gewesen sein. Banderolensteuerplan für Kaffee gescheitert Bonn, (dpa) Der Vorschlag Bundes- finanzminister Schaffers, den Kaffeepreis unter Beibehaltung des derzeitigen Steuersatzes dadurch zu ermäßigen, daß die Steuer nicht bei der Einfuhr, sondern erst beim Einzelhändler durch eine Steuerbanderole erhoben wird, ist gestern vom Finanz- und, Steuerausschuß des Bundestages mit großer Mehrheit abge- lehnt worden. Die Gegner dieses Vor- schlages erklärten im Ausschuß, der Plan sei steuertechnisch zu schwierig und be- günstige einseitig die Großröstereien Nur Wirtschaftshilfe für Wien Washington, (ap) Es sei nicht beabsich- tigt, Österreich Militärhilfe zukommenzu lassen, teilte das US State Department mit. Bei dem Betrag von 20 Mill. Dollar, der im Rahmen der Auslandshilfe für Österreich bestimmt sei, handele es sich um reine Wirtschaftshilfe, Sympathie für Ost-Berlin Berlin/Bonn, (dpa) über 20 000 West- Berliner versammelten sich gestern nach- mittag auf dem Oranienplatz im Bezirk Kreuzberg (amerikanischer Sektor) zu einer Sympathiekundgebung für ihre unterdrückten Mitbürger in Ost-Berlin. Die vom Bundestag in Bonn und vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Düssel- dorf bezeugte Sympathie für den Frei- heitskampf der Ost-Berliner und der So- wjetzonen-Bevölkerung wurde im Laufe des Tages auch von den gerade tagen- den Landtagen Baden-Württembergs und Hessens, von den hessischen Jungsozia- listen und Jungdemokraten bekräftigt. Dabei wurden die westlichen Alliierten verschiedentlich aufgefordert, bei den Sowjets vorstellig zu werden, um so der Bevölkerung der Sowjetzone zu helfen. Die Alliierte Hohe Kommission gab ihrer tiefen Sympathie für die Bevölkerung Ost-Berlins gestern in einem Kommuni- que in Bonn Ausdruck. Sie erklärte, d : -e Hohe Kommission werde die Entwick- lung der Lage in Berlin mit größter Sorgfalt verfolgen. Sowjets holen Verstärkung Berlin, (dpa) Die sowjetischen Be- satzungstruppen begannen gestern nach- mittag, einzelne Abteilungen aus der Umgebung Berlins in den Sowjetsektor zu verlegen. Bei diesen Umgruppierun- gen wurden motorisierte Einheiten mit Panzern und Panzerspähwagen beobach- tet. Es wird angenommen, daß die Ver- stärkungen gegen etwaige neue Demon- strationen in Ost-Berlin eingesetzt wer- den sollen. Keine neuen Atomexplosionen Washington, (ap) Präsident Eisenhower erklärte gestern auf seiner wöchentlichen Pressekonferenz, er habe seit seiner Amtsübernahme noch keine Berichte über neue sowjetische Atomexplosionen erhalten. Auf die Frage, ob er die Öffentlichkeit davon in Kenntnis setzen würde, falls ihm derartige Berichte zu- gingen r antwortete der -Präsident, er habe hierüber noch keine Entscheidung gefällt. Mehrmals Sondersitzungen Die Regierung Grotewolil trat im Laufe des Tages mehrmals zu Sondersitzungen zusammen. Es wurde eine Proklamation an die Bevölkerung verteilt, in der es heißt, die Schuldigen an den Zusammen- stößen würden zur Rechenschaft gezogen werden. Noch am Vormittag war von amt lieh eT östlicher S etile mitge teilt wor- den, bei den Demonstrationen handele es sich lediglich um „örtlich begrenzte Pro- vokationen West-Berliner Saboteure . Diese These konnte jedoch nicht mehr aufrechterha'lten werden. Die Regierung sah sich gezwungen, den Aufruhr in vol- lem Umfange einzugesteihen. Am Nach- mittag verhandelten hohe sowjetische Militärs mit den westalliierten Dienst- stellen in Berlin. Kurze Zeit später wurde die Sektorengremze auf westlicher Seite von den Besatzungsmächten gesichert. Man nimmt an, daß dies auf Ersuchen der Sowjets geschah, über die britischen Truppen in Berlin wurde Ausgangsverbot verhängt. Die amerikanischen und fran- zösischen Soldaten wurden in Alarmbe- reitschaft gesetzt. Unterhändler erzielten Einigung über Demarkationslinie Söul, (ap-dpa) Am frühen Donnerstagmorgen koreanischer Zeit schwiegen mit einem Schlage die Waffen an der Front, nachdem kurze Zeit zuvor bekanntgegeben worden war, daß die beiden kriegführenden Parteien sich über die Festlegung der Demarkationslinie geeinigt hatten. Mit dieser Einigung ist das letzte große Hindernis, das dem Abschluß eines Waffen- stillstandes noch entgegenstand, beseitigt worden. Die Demarkationslinie soll dem Ver- lauf der Hauptkampflinie entsprechen. Ob die jetzt festgelegte Linie auch die jüng- sten kommunistischen Geländegewinne an der Front berücksichtigt, ist noch nicht bekannt. Amtliche Kreise in Washington vertreten jedoch die Ansicht, die Gewinne seien zu unbedeutend, als daß sie berück- sichtigt worden seien. In der amerikani- schen Bundeshauptstadt wird damit ge- rechnet, daß es noch einige Tage dauern wird, ehe das gesamte Waffenstillstands- abkommen ünterzeichnet werden kann. Die gestern morgen stattgefundene Voll- sitzung der Waffenstillstandsdelegationen dauerte nur kurze Zeit. Auf Ersuchen der alliierten Unterhändler wurde beschlos- sen, erst wieder zu einer Vollsitzung zu- sammenzutreten, wenn eine der beiden Parteien darum ersuche. Präsident Eisenhower erklärte gestern vor der Presse, die Befürchtungen Süd- koreas, die USA könnten einen Waffen- stillstand auf seine Kosten abschließen, seien unbegründet. Er habe dies auch dem südkoreanischen Staatspräsidenten Rhee in einem Schreiben klargemacht. Ollenhauer lehnt Gemeinschaft mit der KP ab NRZ Bonn. Für die SPD gebe es heute und in Zukunft keine politische Gemein- schaft mit der Kommunistischen Partei, erklärte gestern der SPD-Vorsitzende Ollenhauer zu einer Aufforderung des KP-Vorsitzenden Max Reimann an die SPD, das Zentrum, die gesamtdeutsche Volkspartei und den Bund der Deutschen, sich zusammenzufinden und einen ge- meinsamen Wahlkampf gegen die Bun- desregierung zu führen. Die Wiederher- stellung der deutschen Einheit in Frei- heit müsse, so betonte Ollenhauer, im Kampf gegen die KP durchgesetzt wer- den, denn sie sei die Trägerin des Dik- tatursystems in der Sowjetzone, gegen das sich die Arbeiter von Ost-Berlin in so eindrucksvoller Weise zur Wehr ge- setzt hätten. Auch das Zentrum wies das Ansinnen Reimanns zurück. Zu den Ber- liner Vorgängen hatte Reimann geäußert, sie seien auf „Provokationen" des ge- samtdeutschen Ministeriums und der Ost- büros der Parteien der Bundesrepublik zurückzuführen. Nuschke wurde verprügelt Jetzt unter amerikanischer Obhut-Äufruf der Pankower Regierung NRZ Berlin. Zu einer Sensation besonderer Art kam es am Nachmittag, als der stellvertretende Sowjetzonenministerpräsident und Vorsitzende der Ost-CDU, Otto Nuschke, plötzlich in West-Berlin auftauchte. Wie ein Lauf- feuer verbreitete sich das Gerücht, er sei geflüchtet. Nuschke selbst aber erklärte auf einem Polizeirevier an der Sektorengrenze, er sei „geraubt" worden. Demonstranten hätten seinen Wagen nach West-Berlin abgedirängt Man habe ihn verprügelt und den Zündschlüssel ge- stohlen. Uber die Ereignisse in Ost-Berlin befragt, sagte Nuschke, er billige voll und ganz die Verhängung des Ausnahme- zustandes durch die Sowjets. Die Macht- mittel der Grotewo-hl-Regierunq hätten zur Niederschlagung des Aufruhrs nicht ausg er eicht. Deshalb hätten die Sowjets eingredifen müssen. Nuschke machte einen völlig verstörten Eindruck. Gestern abend teilte ein amerikanischer Sprecher mit, daß sich Nuschke bei „amerikanischen Behörden" befinde. Eisenhower: Entlarvte Lügen Washington, (dpa-ap) In einer ersten Stellungnahme zu den Ost-Berliner Er- eignissen erklärte US-Präsident Eisen- hower gestern in seiner Pressekonfe- renz, die Demonstrationen* in Ost-Berlin seien bedeutsam, weil sie die kommuni- stischen Behauptungen über die Zufrie- denheit der Bevölkerung hinter dem Eisernen Vorhang als Lüge entlarvten. Der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des US-Senats, Wiley, be- zeichnete die Vorfälle als Beweis für die allgemeine Unruhe in der kommunisti- schen Welt. Die amerikanischen Nach- mittagszeitungen berichteten gestern in großer Aufmachung über die Demon- strationen. Auch in den Zeitungen des westlichen europäischen Auslandes nah- men die Berliner Meldungen einen brei- ten Raum auf der ersten Seite ein. Die Pariser „Le Monde" schreibt, es handele sich um einen Ausbruch des Hasses gegen die Russen und die Marionetten, die Moskau an die Macht gebracht habe. Gestern vormittag hatten ln West- Berlin die drei alliierten Stadtkomman- danten getagt. Sie forderten im Anschluß an die Konferenz die West-Berliner Be- völkerung auf, angesichts der Demon- strationen im Ostsektor Ruhe zu bewah- ren. Die östlichen Behauptungen, die Vorfälle seien von westlichen Agenten provoziert, wiesen sie scharf zurück. — Der gegenwärtig in Wien weilende Re- gierende Bürgermeister West-Berlins, Prof. Reuter, wird angesichts der Situa- tion in Ost-Berlin seinen Aufenthalt in Österreich abbrechen und heute nach Berlin zurückkehren. Mittags Höhepunkt Ihren Höhepunkt hatten die Unruhen in den Mittagsstunden erreicht. Hundert- tausende von Demonstranten belagerten sämtliche Regierungsgebäude in der In- nenstadt, verstopften die Straßen und schritten zu Gewaltaktionen gegen die kommunistischen Behörden. Mehrere kleine Regierungsgebäude wurden ge- stürmt. Fast sämtliche an der Sektoren- grenze liegenden Wachbaracken der Volkspolizei, das große Columbus-Haus (heute HO-Kaufhaus) am Potsdamer Platz und das weltbekannte Cafe Vaterland wurden in Brand gesteckt. Ein Sturm des Regierungssitzes in der Leipziger Straße konnte nur unter Einsatz von zehn schweren Panzern und nach mehrmaligen Feuergarben aus den Ma- schinenpistolen der kasernierten Volks- polizei verhindert werden. Weitere Höhe- punkte waren der Zusammenstoß zwi- schen Zehntausenden von Demonstranten und sowjetischen Panzern im Lustgarten sowie der Sturm auf das Brandenburger Tor (siehe auch Seite 2). In den frühen Nachmittagsstunden hißten Ost-Berliner Arbeiter auf dem Tor die schwarzrot- goldene Fahne und setzten sie zum Zei- chen der Trauer um die Opfer des Auf- standes auf halbmast. Auf sowjetische Anordnung mußte die S-Bahn, auch in West-Berlin, ihren Verkehr einstellen. Am frühen Nachmittag traten die Arbei- ter der U-Bahn, der Straßenbahn und der Omnibusse in den Streik. Russische Salven brachen Aufstand Ausnahmezustand über Ost-Berlin — Bisher sieben Tote und über 100 Verletzte — Schwarz rot gold über dem Brandenburger Tor Von unserem Berliner Büro NRZ Berlin. Nachdem es gestern morgen erneut zu Aufständen der Ost-Berliner Bevölkerung gekommen war, proklamierten die Sowjets um 13.55 Uhr den Ausnahmezustand für den gesamten sowjeti- schen Sektor. Der Ost-Berliner Magistrat und die Pankower Regierung haben für die Dauer des Ausnahmezustandes keine Verfügungsgewalt mehr. Die vollziehende Gewalt liegt ausschließlich in den Händen des russischen Militärkommandanten von Ost-Berlin, Generals Diprowa. Es besteht in West-Berlin kein Zweifel, daß ohne das Eingreifen sowjeti- scher Truppen die Grotewohl-Regierung gestürzt worden wäre. Bereits kurz nach 14 Uhr glich die Berliner Innenstadt einem Heerlager Schwere Panzer, Panzerspähwagen und Geschütze fuhren in den Straßen zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz auf. Motorisierte sowjetische Infanterie bil- dete in allen Straßen der City Schützen- ketten. Die Demonstrationszüge wurden durch die Truppen systematisch, zum Teil mit Unterstützung der kasernierten Volkspolizei, zerstreut. Dabei kam es im- mer wieder zu ernsten Zusammenstößen. Die Truppen gaben Warn- und gezielte Schüsse auf die Demonstranten ab, die sich nur teilweise vor den heranstürmen- den Einheiten in Sicherheit bringen konn- ten. Nach den bisherigen Berichten gab es sieben Tote und über 100 Verletzte. Genaue Angaben liegen jedoch nicht vor. Gegen Abend flaute die erbitterte Stim- mung ab. Infolge des geltenden Kriegs- rechtes ist zwischen 21 und 5 Uhr jeder Verkehr untersagt Mindestens 20 Panzer vom Typ T 34, ebenso viele Panzerspähwagen und andere mit Maschinengewehren und Pakgeschützen bespickte, vollbesetzte Mannschaftsfahrzeuge setzten die Sowjets gestern ein, um das Re- gierungsviertel in der Leipziger Straße von Demonstranten zu säubern. Unser Bild zeigt eine Kolonne Panzer bei der Fahrt durch die Leipziger Straße. Funkfoto: ap In Korea schweigen überraschend die Waffen Zwei Demonstranten holten während der gestrigen Unruhen die rote Flagge auf dem Brandenburger Tor herunter. Einige Zeit spä- ter wurde die schwarzrotgoldene Flagge auf- gezogen, die nachher auf halbmast gesetzt wurde im Gedenken an die Opfer der De- monstration, Funksfoto: ap West-Berliner Polizisten nahmen gestern einige SEP-Funktionäre in Schutzhaft, die von der demonstrierenden Menge erkannt worden waren und Gefahr liefen, verprügelt zu werden (Bild links). — Ein Propagandastand der SEP wurde von Ost-Berliner Brand gesetzt. Am späten Nachmittag loderten Columbia-Haus und Cafä Vaterland. Demonstranten in Brände auth am Funktoto; ap

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