1951 | 75 Jahre NRZ | Zeitungsseiten

Minister Helga Pedersen Dänemark« weiblicher Justizminister, Frau Helga Pedersen, hielt vor den her- vorragendsten Juristen Englands einen Vortrag und fand bei ihren englischen Fachkollegen eine herzliche Aufnahme, Sie wurde eingeladen, bei einer Ver- handlung in London« berühmtem Krimi- nalgericht „Old Bailey* als Gast einen Richtersitz einzunehmen. „Eines Tages wird e$ weibliche Richter in der ganzen Welt geben“, meinte Frau Pedersen ge- genüber der. Press«. Lösung des Silbenrätsels aus Nr. 101 1. Tolstoi; 2. Unbehagen; 3. Elster; 4. Isis; 5. Nagetiere; 6. Arabesken; 7. Leinen? 8. Legion; 9. Eisenerz; 10. Mundharmonika Tue in allem dein Bestes! Max Traeger Silbenrätsel Aus den Silben ach — ah •— an — bu —- chi — de —> — le — len — mi —- mu — neu — nie — per — pi — rai — re — ring — ro — rold — sa — se — se — sei —• spi — spot — ster — syl — ta — fern ve — vi sind 17 Wörter zu bilden, deren An- fangsbuchstaben von oben nach unten und deren Endbuchstaben von unten nach oben gelesen ein Zitat von Sopho- kles ergeben; die Wörter bedeut ein (ch 1 Buchstabe): 1. Gewaltherrscher; 2. Lastentier; 3. Hai. Komponist (gest. 1936); 4. deut- scher Innenminister vor 1933; 5. nord- amerikanischer Pelzjäger, Fallensteller; 6. Teil des Wagens; 7. Stadt in West- falen; 8. Geschwindigkeiten; 9. Spottj Bühnenkünstler fordern Theatergesetz „Es fehlt ein Bundeskultusminister" — Bonner Beethoven-Fest eröffnet Ein Theater ge setz „zum Schutz vor wesensfremdem Unterneh- mertum“ wird im amtlichen Organ der Genossenschaft deutscher Bühnenange- hörigen gefordert. Die Gewerbefreiheit habe, wie einige Vorkommnisse der letz- ten Zeit bewiesen, Gefahren für das deutsche Theater und die Bühnenmit- glieder heraufbeschworen. Es sei not- wendig, die Theaterunternehmungen unter staatliche Kontrolle zu stellen. Die Neugründunq von Theatern müsse durch Gesetz an die Erfüllung unerläß- licher Bedingungen gebunden sein. Als empfindlicher Mangel wird das Fehlen eine s Bundeskultusministeriums bezeich- net. Mit einem festlichen Sinfoniekonzert begann das 18. Beethoven- Fest der Stadt Bonn. Gleichzeitig wurde eine Ausstellung von 48 Beethoven-Plastiken des französischen Künstlers Bourdelle eröffnet. Das Beethoven-Fest wird am 10. Mai mit einer Aufführung der Missa Solemnis im Bonner Münster abge- schlossen. Alfred Polgar, der seit 1938 in den USA lebende, jetzt 75jährige Öster- reichische Feuilletonist, erhielt den von der Stadt Wien in diesem Jahr zum ersten Male verliehenen Preis für Publi. zistik. In der Woche nach Pfingsten tagt in Münster der „Kongreß der deutschen Bibliothekare". Bei der ^Öffnung einer Ausstellung von 10 Mannheimer Künstlern in der Mannheimer Kunsthalle protestierte der Maler Rudi Baerwind öffentlich gegen die Erklärung des Kunstdezernen- t.en Prof. Dr, Langer,»daß die ausgestell- ten Gemälde und Plastiken ein „mittlere* Maß“ darstellten. Eine derartige Beurtei- lung liege nur in der Zukunft. Igor Strawinskys 1934 in Paris urauf- gefiihrtes Melodrama „Persephone“ nach einem Text von Andre Gide wurde in einem Studiokonzert des NWDR Köln mit Marianne Hoppe als Per- sephone zum ersten Male in konzertan- ter Form in Deutschland aufqeführt. Innerhalb einer „Tänzer f ortbil- dungs woche“ vom 18. bis 23. Mai in Köln wird Mary Wigman auf Einla- dung des Tänzerbundes in Köln einen Sonderkurs übernehmen und einen Vor- trag „Der Tanz als künstlerische Sprache" halten. Prof. Emil Dovifat von der Ber- liner Freien Universität hat eine Beru- fung in die Jury der Internationalen Filmfestspiele in Berlin vom 6. bis 17. Juni angenommen, der neun deutsche Vertreter des öffentlichen und des kul- turellen Lebens angehören. Nach einei zweieinhalbstündigen schwierigen Operation wird der acht- jährige amerikanische Junge James Fo- ley jetzt ohne Beschwerden atmen können. Das Zwerchfell des Jungen war zu schwach, so daß sich sein Magen zur Brust hin verlagert hatte und Herz und linker Lungenflügel gegen die Rippen gequetscht wurden. Jetzt wurde eine Metallplatte eingesetzt, die da.s schwache Zwerchfell in der richtigen Lage hält. Zum neuen Generalmusikdirektor der Stadt Oberhausen wurde Generalmusik- direktor Karl Köhler gewählt. Köhler tritt ab 1. Juni dieses Jahres an die Stelle des bisherigen städtischen Mu- sikdirektors Werner Trenkner. E s kommt der Tag, wo das Himmelsnetz reißt, wo der Meergrund sich tür t, wo die Erde birst; der Tag ist nah, wo du fühlst, wo du weißt, o Mensch, o Welt, daß du gefordert wirst. Erich Mühsam Die Geduld hat jetzt ein Ende Stuttgarter Lehrertagung wird „Kongreß des Angriffs 1 ' Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Max Traeger, veröffentlicht in der Allgemeinen Deutschen Lehrerzeitung einen Aufruf, der den Auf- takt tür die große Stuttgarter Pfingsttagung der C.EW bildet. Die GEW, die mit ihren rund 70 000 Mitgliedern der bedeutendste deutsche Lehrerverband ist, hat sich in den vergangenen Jahren nach allen Seiten hin um einen vernünftigen, zeitgemäßen und von der Sache herkommenden Aufbau unseres Schulwesens bemüht. Daß aus diesem Willen zur Zusammenarbeit heute eine Kampfansage wurde, geht mit zurück auf die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen, wo das neue Schulgesetz, wenn es durchkommen würde, durch die Konfessionalisierung schon die Jugend in zwei Hälften zerreißen, den Lehrer in seiner Gewissensfreiheit einengen und leistungs- fähige Schultypen in Zwergschulen zerschlagen würde. Die GEW kann sicher sein, daß breite Teile der Öffentlichkeit dem Kampf alle Sympathien entgegenbringen und ihn unterstützen werden. Wir geben hier den Aufruf Max Traegers wieder: Wir wollen e« offen zugeben, wir sind enttäuscht. Enttäuscht über die Hal- tung der Öffentlichkeit gegenüber allen Kultur fragen. Was nützen Kulturpreis«, was nützen Verbeugungen vor Wissen- schaft und Erziehung bei festlichen An- lässen und Jubiläen, wenn den Worten die Tat nicht folgt. Nur bunte, schil- lernde Flicken auf dem zerfetzten Kul- tu rnuuntel. Ob solcher Gesinnung wer- den die Musen pcham-haft ihr Haupt verborgen haben, vielleicht haben sie gar Deutschland schon verlassen; Die Kräfte, die eine Kulturpolitik tragen sollen, sind schwach. Der materielle Auf- bau saugt fast alle Kräfte auf. Staatsnot, Wohnungsnot, Flüchtlingsnot, nackter Existenzkampf, Kapital not und viele an- dere materielle Nöte überdecken alle die Anliegen, die zum Kulturbereich ge- hören. Auf dem Kuilturfr-iedhof zeugen nur noch prächtige Grabsteine von einstigem Ruhm und Glanz. Ab und zu wird der eine oder andere ins Sehe in- werf e-rlicht genommen, dann scheint für kurze Zeit der alte Glanz zu leben. Aber das Licht erlischt, und Grabesstille liegt über dem Friedhof der Kultur. Es ist versucht worden, mit alten Mitteln Altes wieder zum Leben er- stehen zu lassen. Länder der Deutschen Bundesrepublik, meistens zufällig zu- sammen gefügt nach dem Willen der Be- saizungsmächte, täuschen ein eigenstän- diges Kulturleben vor, parlamentarische Mehrheiten von wenigen Stimmen ent- scheiden häufig darüber, wie dieses Eigenleben aus sehen soll. Im Zeitalter des Verkehrs und des Radios wirkt es lächerlich, wenn Nordwürttemberg eine andere Konzeption über da« Schulwesen hat als Südwürttemberg. Seit drei Jah- ren fordern wir Beseitigung des Schich- tensystems und J^eubau der Schulen. Die kulturaulonomen Kultusminister, die die Düsseldorf er Schul bauten-Ausstel- lung besucht haben, sind an Zahl noch nicht einmal so viel wie Finger an einer Hand. Es ist von uns vorausgesagt, daß Leh- rermangel ein treten würde. Der Fall ist akut, diie Kultusminister haben in ihren kulturautonomen Ländern nicht den Ver- such gemacht, irgend etwas durchzu- setzen für ihre Lehrer. Wir wollen die Register des Versagens nur um einen Punkt noch vermehren. Die Parlamente haben es nicht fertiggebracht, allen Kin- dern die gleiche Startgerechtigkeit zu geben. Soziale Ungerechtigkeit wird festgelegt. Der „frische Wind von Gos- lar" hat In den deutschen Ratsstuben und Schulverwaltungen nicht viel abge- staubt. Wir haben versucht, durch abwartende Haltung und öffentliche Mahnung ohne starke Trompetenstöße Einfluß zu ge- winnen. Die Schule und die Universitä- ten und alle anderen kulturellen und sozialen Einrichtungen sind auf einem Tiefstand angekommen. Das sozialpädag- ogische Gewissen der Öffentlichkeit ist gesunken. Die Parlamente machen schöne Sprüche, und im Ernst weichen sie vor Wirtschaft und Finanz zurück. In den kleinen Länderpari amen ten wird Kultur qemuddelt. Die Schule braucht das klare Licht der gesamten deutschen Öffentlichkeit. Schulkämpfe sind Angelegenheit der ge- samten Bevölkerung und nicht einzelner Teile, wie es jetzt wieder in Nordrhedn- Westfalen offenbar wird. Au-s dieser bitteren Erkenntnis, diie in Stuttgart be- sonders in dem Thema „Einheit der deutschen Schule und die Kulturautono- mie der Länder" ihren Ausdruck findet und für ein. evtl. Bundesschulgesetz durch Leitsätze zum Thema „Selbstver- waltung und Schule" die Mitwirkung der Lehrerschaft auf allen entscheidenden Stufen der Verwaltung fordert, wird die Vertreterschaft Folgerungen zu ziehen haben,, die nicht immer bequem für sie sein werden. Es wird sich Unruhe über die Schule in der Deutschen Bundes- republik erheben müssen, und Parteien und Parlamente müssen zu tatkräftigem Handeln aufgestackelt werden. Wir wünschen die Unruhe, sie muß ausgehen von Stuttgart, sie muß das ganze Volk ergreifen, denn es geht nm seine Kinder. Kinder in Not, Schule in Not Unwert ist ein Volk, das nicht «ein Letztes setzt an seine Kinder. oen l/'Oelh TT 9 und der letzte Brand im Gebälk verglomm, eil seit drei Tagen kein Blitz einschlug, glaub nicht, es sei jetzt der Prüfung genug, und der Himmel bleibe nun heiter und fromm. Die -Bouillabaisse Die berühmte Fischsuppe des Midi wird in allen kleinen und großen Restaurants der blauen Küste als besondere Spezia- lität serviert, und um die Preise der Luxusrestaurants zu rechtfertigen, wird sie oft durch Beigabe von Langusten ver- fälscht. Die Bouillabaisse ist ein Fischer- gericht, und Fischer verkaufen ihre Lan- gusten und verwenden sie nicht für ihre Suppe. ln einer einsamen Bucht der Insel Mar- guerite, die gegenüber von Cannes liegt und auf der man neugierigen Besuchern eine alte Festung zeigt, in der ein be- rühmter französischer Feldherr gefangen saß, erlebte ich den tiefen Sinn der köst- lichen Fischsuppe. Das letzte Motorboot verläßt schon am frühen Nachmittag die Insel. Dann bleibt der Wald duftender Eukalyptusbäume verlassen. Wilde Kaninchen tollen auf den einsamen Wiesen, und mit leisem Ruderschlag legt da und dort ein Fischer- boot an. Nahe dem Zelt, das ich dort an einer Klippenbucht aufgeschlagen halte, um ein paar Wochen ein vergnügtes Ro- binson-Crusoe-Leben zu führen, legte ein Boot an, und ich konnte von meinem ver- steckten Platz aus das Tun zweier Män- ner beobachten, die sich im Boot ihr Mahl bereiteten. Da wurde ein Kessel über einem Feuer aufgehängt, in den Kessel goldgrünes Olivenöl und in Ringe ge- schnittene Zwiebeln getan. Darauf wur- den in Stücke geschnittene kleine Fische gelegt, und als der Duft der gerösteten Zwiebeln und Fische in die Luft stieg, wurde das Gericht mit Wasser auf gegos- sen. Indes so die Suppe kochte, schnitten die Männer Scheiben weißen Brotes, leg- ten diese in zwei tiefe Teller und streu- ten ein wenig Safranpulver auf die Brot- scheiben. Dann rauchten beide Männer eine Zigarette. Als die Zigarette zu Ende geraucht war, wurden nochmals Fisch- stücke in die Suppe getan, durften aber nur wenige Muni ten kochen, und schon wurde die goldbraune Fischsuppe über die Brotschnitten gegossen. Es duftete wunderbar. Ich kam langsam aus meinem Versteck. Ich durfte nicht nur tüchtig kosten, ich wurde eingeladen, noch in der gleichen Nacht einen Fisch- fang mitzumachen, denn für diesen waren die beiden Männer auf die Insel ge- kommen. Es war ein guter Einfall, eine Flasche roten „Via du Pays" mitzubringen; denn die Sommernacht auf den Wassern war recht kalt. Eine ganze Gesellschaft klei- ner Fischerboote hatte sich zusammenge- funden. Vorne zog ein Boot mit einer Karbidlampe einher; die folgenden hiel- ten die Netze. Und nach wenigen Stun- den, in denen wir unter vielen Gesprä- chen und Erzählungen Freundschaft schlos- sen, hatten sich die Boote mit der sil- bern glanzenden, zappelnden Last vieler Fische gefüllt. Ich folgte den beiden Männern dann in eine offene Hütte am Ul er, in der sidi nur ein großer Tisch befand. Das Netz wurde auf den Tisch geleert. Die beiden Männer schichteten die schö- nen großen Fische in Körbe. Sie würden noch heute früh zu den großen Hotels in Cannes und Nizza gebracht werden. Die kleinen Fisch lein aber, Seesterne so- gar, wurden in eine Ecke geworfen, und dabei sagte immer einer der Männer: „bon pour la bouillabaisse!" Besonders kleine, stachelige Fische von wunder- barer rostbrauner Farbe, wurden im. Schwung zu den andern belördeit, die für die Suppe bestimmt waren, und da klang, das „bon pour la bouillabaisse" be- sonders zärtlich. Als wir uns nach einem letzten Schluck aus der Ro 1.Weinflasche trennten, meinte einer der beiden Männer: „Vielleicht wird man einmal, am Tag des großen Ge- richtes, auch mit uns so verfahren. Men- schen, wie du lind wir, kommen dann sicherlich nicht zu den großen Tugend- haften, zu den Helden oder Obergeschei- ten. Aber wir werden zufrieden sein, wenn unser Herrgott dann sagt: „bon pour la bouillabaisse!" meinst du nicht?" 10. Schluß des Jahres; lt. unverletz- lich, verboten; 12. Bestand teij des Atoms; 13. Einzelwesen; 14. südameri- kanischer Staat.; 15. Bote; 16. Heil- pflanze, Gewürz; 17. alt japanischer Krie- ger. sch das ge- Hingebung V/underbar ist dem mittelalterlichen Künstler in dieser Mädchensiatue reine überwältigtsein durch den Einbruch einer höheren Wirklichkeit lungen. — Die Figur stammt aus einer Gruppe im Dom von Xanten. Grete von Urbanitzky sich über ihm auftürmte, bereit, sich auf ahn zu stürzen Oben zogen die Wolken dahin, sie jagten über den Felsrand und auf das Meer hinaus. Sie zwangen ihn, den Kopf zu drehen und ihnen zu folgen, und dann fühlte er, wie der Vorsprung, an dem seine Hand festhielt, nachgab. „Heilige Mutter Gottes. . er flüsterte es wie erlöst. Langsam drehte es ihn um stich selbst -— ein Seepapagei, der zum Meere flog — die Augen ge- schlossen — immer weiter — und ein ungeheurer, blendender Strahl aus weiß- blauem Licht. (übersetzt von Gisela Herwig) William Stephen JC ontttt uni mit! „Ich bleibe heute nacht bei Tant« Marie“, sagte die Mutter. „Es ist soviel zu besorgen, daß ich es bis zum Halb- sechs-Zug einfach nicht schaffen kann. Und wenn ich schon einmal in der Stadt bin, will ich gleich alles zusammen er- ledigen. Dann brauche ich so bald nicht wieder hin. Tut, was man euch ßagt, Kinder", sie wandte «ich an die Kleine- ren, „und macht es Dermot nicht schwer. Schließt die Hühner um zehn ein, und seht heute abend und morgen früh nach dem Vieh. Hörst du zu, Brendan?" Brendan, der Jüngste, verfolgte auf- merksam einen Fuchsschwanzschmetter- fing an der kleinen Fensterscheibe. Er sagte „ja", ohne den Schmetterling aus den Augen zu lassen. Sie wollte etwas wie eine Bestätigung oder Zustimmung von ihnen, aber die Kinder schienen nur darauf zu warten, daß sie endlich ging. Sie machte sich Sorgen, aber die Jungen verstanden das nicht — es hatte keinen Sinn, mit ihnen zu reden. Manch- mal wünschte eie, daß Gott ihr eine Tochter gegeben hätte. Ein Mädchen verstand, daß kleine Dinge wichtig sein konnten... Hatte sie etwas vergessen? Sie sah «ich in der halbdunklen Küche um: da waren der schwarze Herd •und die Asche, der braun angestrichene Tisch — die Schubladen schlossen nicht ordentlich — und ein paar armselige Schüsseln. Da hiing das Bild vom Heili- gen Herzen, und diie Lampe brannte Sie 6ah auf die kleine Zinnuhr, die auf dem Kaminsiime stand: es war schon spät. Sie sah die Kinder noch einmal an; Brendan, Paddy und Tony. Sie war- teten nur darauf, daß sie ginge. Sie sah Dermot an, ihren Ältesten. Achtzehn war er jetzt und der Mann im Haus. Er saß auf dem alten Roßhaarsofa und stützte die Ellbogen auf den weißge- scheuerten Tisch Er hatte die zwei zerknitterten Scheine und da« bißchen Hartgeld be- merkt, da« neben ihren Sachen lag. öl und Mehl mußten gekauft werden, Samen, Sachen vom Krämer, Wolle und sonst noch Kleinigkeiten. Eine Lampe, ein Spaten, Medizin für die Kuh, die Doktorrechnung war zu .bezahlen, Hafer- grütze, Stiefel für Brendan „Das Geld reicht ja nicht“, dachte «ie, „wir müssen versuchen, ohne das eine oder andere auszukommen." „Es langt eben niemals", ging e« noch mehr arbeiten müssen." f ’ Dermot durch d Kopf. „Wir werden Aber was denn? Es gab ja nichts zu tun! Ganze zweieinhalb Morgen waten reichte für höchstens neun Stüde Vieh. Futter gab es kaum, was sie hatten, war gerade genug für ein paar Hühner. Es gab nichts, was Geld einbrachte, nur die Eier der wilden Vögel. In die Stadt durfte er nicht gehen, um dort zu arbeiten. Sie hatte es ihm verboten. Paddy würde sie gehen las- sen, später, aber Ihn niemals. Seit, dem Tode des Alten war er der Bauer. Der Bauer! Es war zum lachen! Neun Mor- gen steinige Heide, alles andere war Sumpf und Binsen! Nein, er sah keine andere Möglichkeit, es blieben nur die Eier. Sechs Schillinge für ein Dutzend Vogeleier waren nicht zu verachten, das war ihm klar. Man mußte eine ,Menge sammeln, während sie in der I Stadt war, dann gab e« wenigstens \h twas Geld im Haus, wenn sie zurück- \ im. „Ich muß jetzt gehen. Gott behüte euch! Macht keine Dummheiten, wäh- rend ich weg bin." Ihre Stimme war etwas unsicher geworden. Eine Sekunde lang wartete sie auf ein Zeichen von ihnen, es kam keines.. Die Kinder schie- nen gleichgültig, sie sagten ihr kaum auf Wiedersehen! Einmal war e« anders gewesen: da- mals, als sie noch klein und hilflos waren, hatten sie die Mutter für alles und jedes gebraucht, Tag und Nacht. Erst hilft man ihnen groß und stark zu werden, dachte sie, und dann wenden sie «ich ab und vergessen alles, was man für sie getan hat. Bin kleines Mädchen hätte jetzt vielleicht gesagt: „Mach dir keine Sorgen..." Nun, die Kinder waren in Gottes Hand. Sie nahm ihre Sachen und schleppt« sich den Feldweg hinunter. Die Sonne hatte die Wagenspuren ausgetrocknet. Nicht lange danach nahmen Dermot und Paddy das Seil und machten sich auf den Weg zu den Klippen, Die trockene Heide knisterte und knackte unter ihren Füßen, als sie über die Höhe zum Meer gingen. Der warme Wind berührte ihre Gesichter. An eini- gen Stellen traten Ihre Sohlen auf nack- ten Felsen. Hügelweideland, dachte Dermot, 10 Schilling ein Morgen! Hatte es jemals eine so armselige Farm gege- ben? Pieper flogen plötzlich auf. die Jun- gen hatten sie aufgescheucht. Sie hoben sich hoch über die Heide uftd ließen ««ich dann vom Wind treiben, weg von den Kindern. Ein Steinschmätzer hüpfte auf einer Torfmauer hin und her und lärmte sie an. Eine große Mantelmöwe begann über ihnen zu kreisen, starrte mit ihren hell- grauen Augen die Kinder an und. lachte: ha-ha-ha! Nach kurzer Zeit hatten sie den Fels- rand erreicht; Dermot sah herunter in das langsam strudelnde Meer. Tief unten bewegte sich das grüne Wasser schwerfällig zwischen den schwarzen Felsen. Mit langsamen, traurigen Rufen erhoben sich die Möwen über der Was- serfläche. Die Papageientaucher began- nen um d-ie Kinder zu kreisen, Scheren- schnäbel, Lummen und Seepapageien schwirrten vorbei; all« flogen sie in der gleichen Richtung, alle drehten die Köpfe iim Vorbeifliegen. So machten sie es immer, aber Dermot wurde niemals? müde, sie zu beobachten. Jetzt wählte er sich einen Seepapagei aus, und sein Auge folgte dem Kreisen des Vogels. Und immer jedes mal dann, wenn der Vogel sich in gleicher Höhe mitDermots Kopf befand, wandte er ihm sein stol- zes, weißes Gesicht zu und starrte ihn schweigend und hochmütig an, als ob er sagte: „Komm, folge mir!" Warte nur, dachte der Junge, wie schön und stark du auch sein magst! Ich kann ebensogut an dein Nest heran wie du selbst, und dann kannst du krei- sen und dich vor dem Meer auf spielen, soviel du willst, zu Hause wirst du nichts als die nackten Steine vorlinden! Dermot spuckte in die Hände und er- griff das Seil. Dann legte er sich flach auf das harte Gra« und schob sein« Beine rückwärts über den Rand de6 Fel- sens hinaus. Er kletterte hinunter, und dabei stemmte er die Füße gegen d'ie Felswand, um den Körper vor bröckeln- dem Gestein zu schützen. Die Scherenschnäbel flogen so dicht hinter seinem Rücken vorbei, daß er das Rauschen ihrer Flügel hören konnte. Als er ihren Nistplatz erreicht hatte, begann er seinen Brotbeutel mit den großen birnenförmigen Eiern zu füllen. Sie waren schwer und hatten eine rauhe Schale. Es gab topasfarbene, tiefblaue, andere wie Lapislazuli oder mit kleinen braunen Tupfen besprenkelt. „Sixpence für jedes Ei!“ Er rechnetet sechzehn für eine neue Lampe, zweiund- dreißig für ein paar Schuhe, für vierzig könnte man zwei Morgen auf ein Jahr pachten ... Als er plötzlich seitwärts nach einem Ei griff, zerbröckelte der verwitterte Basalt unter seinen Füßen. Seine Hände umklammerten das Seil fester, und der Bück folgte dem fallenden Gestein. Hin- unter, hinunter, hinunter — hinunter bis zu den nassen schwarzen Felsblöcken in die Tiefe. Mit dumpfem Krach und einer Wolke von Staub und Splittern ßchlug es auf, sprang wieder ab, weit ins Wasser hinaus — dann sah er nur noch auf spritzende Gischt. Dermot hatte ein Stoßgebet auf den Lippen, lachte dann über sich selbst und fuhr fort. Bald hatte er das Ende des Seiles er- reicht. Der Beutel war erst zur Hälfte gefüllt'. Er stemmte die Füße gegen die Felswand und beugte sich vor, um die Nester der Seepapageien zu suchen. Sie -waren gerade noch hinter einem Fels- vorsprung zu sehen, kaum zwanzig Me- ter entfernt und etwas weiter unten. Da« Seil war nicht mehr von Nutzen. Zu dem Vorsprung führte eine schmale Felskante. Sie fiel steil nach außen hin ab und in die Tiefe und war teils mit Gras, teils mit Schutt bedeckt. Zum Festhalten gab es ein paar Vor- sprünge in der zerklüfteten roten Wand Sollte er wieder hinaufklettern, um etwas weiter entfernt nochmals her- unter zu steigen, immer mit dem halb gefüllten Rucksack? Er wußte genau, daß das Bisen oberhalb der Seepapageien nicht festgemacht werden konnte, sie hatten es dort versucht, diie Grasnarbe war zu dünn. Er mußte die Eier jetzt holen oder es überhaupt sein lassen. Er kroch das Felsband entlang und ließ da« Seil frei herabbaumeln Er probierte mit der Hand jeden Vor- sprung aus, ehe er ihm traute; oft löste er einen Klumpen rotbraunen Gesteins aus der Wand heraus, der wie Keks in seiner Faust zerkrümelte. M:it dem Fuß stieß er den Schutt von der Fels- 9 kante herunter, und mit dem Absatz prüfte er sorgfältig das Gestein, ehe er den. Fuß aufsetzte. Manchmal löste sich etwas und stürzte geräuschlos hinunter, bi« e« in der Tiefe auf traf. Endlich hatte er den Felsvorsprung erreicht. Jetzt sah der Junge, daß es unmög- lich war, weiterzugehen. Wo der Basalt über d'em Meer hing, dem Wind und dem Regen ausgesetzt, war er abgeblät- tert und bröselig wie trockener Lehm. Massen von Gestein, unterhöhlt und von Spalten, Sprüngen und Rissen zer- klüftet, drohten abzustürzen. Dermot ruhte sich einen Augenblick aus, den linken Fuß auf festem Gestein, die rechte Hand an einem kleinen Vor- sprung über seinem Kopf. Die andere Hand fand nur harte« Gras zum Fest- halten, das rechte Bein hing an der Luft, es gab nichts zum Aufstützen. Er sah den Weg zurück, den er gekommen war Es war der Weg, den er zurückgehen mußte. Zwischen ihm und dem Seil lag die schmale, steil abfallende Felskante. Der Weg war jetzt abgebröckelt. Es ging nicht. Er konnte unmöglich auf ihm zu- rück. Aber es gab keinen andern. Er konnte «ich nicht einmal rühren, um nach einem anderen Weg zu suchen. Aber er mußte es tun! Nein, es ging nicht, er mußte bleiben, wo er war, für immer und ewig. Er jammerte wie ein kleiner Junge: „Mamma, komm und hilf mir! Mamma, Dermot hat Angst!" * Die Seepapageien flogen dicht hinter seinem Rücken vorbei; geduldig, unauf- hörlich . .. Seine Augen folgten ihnen, wie sie in das grüne Wasser hinunter- stürzten. Das Meer schimmerte und wand «ich w«ie ein Haufen Maden. Sein Magen krampfte sich zusammen, ein kaltes Zittern durchlief ihn. Dann fühlte er, wie er schwach wurde. Mit Gewalt wandte er den Kopf von den lockenden Vögeln weg und sah nach oben, hinauf zum Rand des schwarzen Felsens, der ffi!iii)]!ii!!ii][iHinniifiniiHiufniiiiHfiE!iii!tinmtimm!imiitmiuimiiiHiimm0 Zum Himmelfahrt«* tag lOell- Verjüngung 7 i ch sag es jedem, daß er lebt und auf rstanden ist daß er in unsrer Mitte schwebt und ewig bei uns ist . Ich sag es jedem , jeder sagt es seinen Freunden gleich, daß bald an allen Orten tagt das neue Himmelreich. Jezt scheint die Welt dem neuen erst wie ein Vaterland ; /Sinn ein neues Leben nimmt man hin entzückt aus seiner Hand. Flinunter in das tiefe Meer versank des Todes Graun, und jeder kann nur leicht und hehr ; in seine Zukunft schaun . Es kann zu jeder guten Tal ein jeder frischer glühn, denn herrlich wird ihm diese Saat in schönem Fluren blühn. Fr lebt, und wird nun bei uns sein, wenn alles uns verläßt! Und so soll dieser Tag uns sein ein Weltverjüngungs-Fest. Novali»

RkJQdWJsaXNoZXIy MjExNDA4